Susanne Barden 01 Hinaus ins Leben by Helen D. Boylston

Susanne Barden 01 Hinaus ins Leben by Helen D. Boylston

Autor:Helen D. Boylston [Boylston, Helen D.]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Jugendroman


Eine Pechsträhne

Das erregende Gefühl, die graue Tracht tragen zu dürfen und eine regelrechte Schwester zu sein, ließ allmählich nach. Sofort nach Neujahr begann wieder der Unterricht. Susy stellte fest, daß die Probezeit trotz der großen Nervenanspannung gegenüber dem jetzigen Achtstundentag auf der Station, zu dem noch theoretische Stunden hinzukamen, ein Kinderspiel gewesen war.

Der Unterricht am Krankenbett wurde »Klinik« genannt. Die Klasse suchte medizinische oder chirurgische Stationen auf, um sich diejenigen Patienten anzusehen, deren Krankheit gerade Gegenstand des Unterrichts war. Susy wunderte sich, daß die Patienten offenbar Vergnügen daran fanden. Sie kamen sich als »ungewöhnlicher Fall« und damit äußerst wichtig vor, während doch gerade das Typische ihres Falles der Grund dafür war, daß sie aufgesucht wurden.

Die Schwestern hatten Unterrichtsstunden über Diätetik, über Medikamente und über Embryologie - das heißt die Entwicklung eines Babys von seiner ersten Zellenform bis zum Augenblick seiner Geburt. Dreimal in der Woche fand im Kellergeschoß von Haus Grafton Unterricht im Bandagieren statt. Dabei ging es recht zwanglos zu. Die Schwestern verbanden sich gegenseitig unter Lachen und Schwatzen von Kopf bis Fuß, während die Lehrerin belustigt zuschaute.

Am ersten Februar wurde Susy wieder zur chirurgischen Frauenabteilung, und zwar nach Station 27, versetzt. Dort sollte sie eine Zeitlang Zwischendienst machen und darauf einen Monat Nachtdienst.

Der Zwischendienst dauerte von drei Uhr nachmittags bis elf Uhr abends. Dann übernahm die Nachtschwester die Aufsicht über die Station. Susy konnte also ein wenig Erfahrung im nächtlichen Betrieb eines Krankenhauses sammeln, bevor sie den Nachtdienst antrat. Sie kam sich auch bald sehr erfahren vor und war überzeugt, genügend auf alles Kommende vorbereitet zu sein.

Aber im letzten Augenblick wurde sie plötzlich von bösen Vorahnungen heimgesucht. Mit Entsetzen erinnerte sie sich an alle Geschichten, die sie jemals über nächtliche Vorkommnisse in einem Krankenhaus gehört hatte. Schwestern schliefen ein und wurden entlassen. Patienten wurden plötzlich verrückt, bekamen Herzkrämpfe oder versuchten zu entfliehen. Und man hatte ihr eingeschärft, daß eine Nachtschwester für alles verantwortlich war, was auf ihrer Station geschah.

Schließlich machte sie sich wie betäubt vor Furcht und Schrecken auf den Weg zur Station 27. Ihre Schritte hallten in dem leeren Treppenhaus wider. Sie hatte das unheimliche Gefühl, als folgte ihr jemand. Auf dem zweiten Treppenabsatz sah sie sich verstohlen um, obwohl sie sich vorgenommen hatte, es nicht zu tun. Natürlich war niemand zu sehen. An der Tür zum Krankensaal blieb sie einen Augenblick stehen. Wenn sie über diese Schwelle getreten war, würde sie Nachtschwester sein.

Anfangs erkannte sie den Saal fast nicht wieder. Er war von schwarzen lastenden Schatten angefüllt, in deren Mitte ein kleiner heller Lichtfleck schwamm. An dem Pult der Stationsschwester saß die Schwester vom Zwischendienst und legte Gazetupfer zusammen. Das gelbliche Licht der abgeschirmten Lampe lag auf ihren flinken und geschäftigen Händen. Von dem großen viereckigen Kamin neben dem Schreibtisch war nur eine Seite zu sehen, die mattweiß aus dem Dunkel hervorschimmerte. Allmählich erkannte Susy undeutlich die Umrisse der weißen Betten an der Wand. Die Luft im Saal war kühl und frisch. Es war sehr still, und man hörte nur das Atmen der Schlafenden. Genau so



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